Leicht beschwingt und kein bisschen verwirrt geht es nach der Sportzigarette in den Neben-raum, in dem mir Pavel sein Selbstversorgungsmodul der Marke Eigenbau vorstellt. Das be-steht aus einem selbst gezimmerten Schrank aus Alu-Profilen und weißen Kunststoffplatten. Die Blühfläche beträgt nur knappe 80 x 80 Zentimeter, denn, so meint mein Freund, in Prag seien die Mieten sehr hoch und die WG habe eben nicht mehr Platz. Doch mit ein paar Tricks hat der erfahrene Indoor-Freund die Fläche optimal ausgenutzt und beleuchtet sie mit einer 400-Watt-Lampe. Die musste er selbstverständlich in einen Cooltube einbauen, um seine kleine Kiste nicht zu überheizen. Der Rest seiner „Hardware" besteht aus:
Beleuchtung: 1 digitales ,Nanolux" Vorschaltgerät
Reflektor: Adjust-a-Wings mit Cooltube kombiniert (Eigenbau)
Abluft: 240-m3-Rohrventilator mit passendem Aktivkohlefilter
Umluft: 15-cm-Klemmventilator sowie passive Löcher für die Zuluft im Bodenbereich der Box
1 Klimacontroller (temperaturabhängig, stufenlos regelbar auf zwei verschiedene Geschwindigkeiten)
Medium: Kokos-Perlite-Gemisch (80/20) in 8-Liter-Root-Pouch-Recycling-Töpfen
Wasser: Mischung aus Leitungs- und Osmosewasser (EC-Wert. 0,3 mS)
Dünger: Grow-Micro-Bloom-Programm von General Hydroponics
Zusätze: Aptus (Regulator, Startbooster, Bloombooster, Fulivo-, sowie Huminsäure)
EC-Wert der Nährlösung in der Blütephase: 1,4-2,5 mS; in der letzten Woche < 0,4
pH-Wert: anfangs 6,0; kontinuierliche Senkung bis auf 5,5 in der Endblüte
Temperatur: Lichtphase 24-29°C; Dunkelphase 14-20°C
Luftfeuchtigkeit: Wachstumsphase 60%; Blütephase 40-50%
Sorte: 9 x Critical+ von Dinafem
Um eine optimale Nährstoffversorgung zu gewährleisten, hatte Pavel seine Mitbewohner überredet, nach der ersten, nur mittelprächtigen Ernte eine Osmoseanlage kaufen und in-stallieren zu dürfen. Das Leitungswasser in Prag ist ziemlich hart und somit nicht so gut zum Hanfanbau geeignet. Das Osmose-Leitungswasser-Gemisch sollte dann auch positiv auf die folgenden Ernteerträge und somit zum Wohle aller niederschlagen. Für den aktuellen Durchgang hat Pavel auf ein paar Critical+-Samen Critical Kush von Dinafem zurückgegriffen, die man trotz der unangenehmen Situation für Growshops noch in zahlreichen anderen Shops sowie online erwerben kann. Von den zehn erworbenen feminisierten Samen seien auch alle ge-keimt, eine der Auserkorenen hinkte in der Entwicklung allerdings so weit hinterher, dass Pavel nur neun Ladys in die Blüte schicken konnte. Das ist aber für die Mini-Box ohnehin mehr als ausreichend. Nachdem die Kleinen in Watte gekeimt und fast drei Wochen lang mit Wurzelstimulator und ganz wenig Dünger sowie der Zugabe von nützlichen Pilzen und Bak-terien hochgepeppelt wurden, waren die neun fix und fertig für die Blütephase. Meine Frage, weshalb Pavel denn nicht eine Mutterkammer baue, um den Zeitverlust beim Growen mit Samen nicht in Kauf nehmen zu müssen, beantwortet er kurz und knapp: „Zu wenig Platz, zu wenig Zeit, zu wenig Abwechselung bezüglich der Sorte."
Nachdem die Wurzeln das Medium ganz durchwachsen hatten, leitete der ehemalige Grow-Reporter dann die Blüte durch die verkürzte Beleuchtungs- phase von 12 h/Tag ein. In den ersten beiden Blütewochen setzte Pavel dann auf ein Wachstumsleuchtmittel, um seine Internodien kurz und kompakt zu halten. „Bei Sorten, die ich zum ersten Mal anbaue, weiß ich nie genau, wie groß die schlussendlich werden. Die Box ist aber nur knappe 1,80 Meter hoch und mit dem ganzen Equipment unter der Decke habe ich nur Platz für 1,0, maximal 1,10 Meter hohe Pflanzen. Deshalb habe ich die Critical+ auch schon bei einer Höhe von 15 cm blühen lassen. Wie du sehen kannst, hätte ich sie sogar noch ein oder zwei Tage länger wachsen lassen können, nach oben sind dieses Mal noch fast 20 Zentimeter Platz. Aber besser zu niedrig als zu hoch, das hatte ich auch schon. Deshalb bin ich ja bei für mich neuen Sorten eher vorsichtig."
Weil Pavel seit einiger Zeit mit „gutem" Wasser gießen kann, vertragen die Pflanzen auch mehr Dünger als zu Zeiten ohne Osmoseanlage**. So hat er bereits in der ersten Blütewoche einen EC-Wert von 1,4 mS geben können, den ihm die Damen mit raschem Höhenwachstum und kurzen Internodien dankten. Anfangs bekam jede Pflanze alle zwei Tage 600-700 ml Nährlösung, gegen Ende war es knapp doppelt so viel. Anstatt, wie bei Kokos üblich, bei jedem Gießen 20% Drain*** durchlaufen zu lassen, spült Pavel seine Ladys alle acht bis zehn Tage mit Osmosewasser und verhindert so ein Versalzen des Mediums im Bereich der Topfböden. Das ist zwar nicht optimal, reicht aber für einen Durchgang aus, um eine Versalzung zu vermeiden. Man sollte das Kokos dann aber auf keinen Fall ein zweites Mal nutzen, be-sonders wenn man mit dem Dünger so (ober)grenzwertig umgeht wie unser Prager Indoor-Freund.
Besonders die kurzen Blütenabstände ließen schon in der zweiten Woche erahnen, dass der in Spanien wohl beliebteste Strain ein echtes Ertragswunder ist. Mit Ausnahme einer Ausreißerin, die in der hinteren rechten Ecke schon in der ersten Woche alle anderen überragte, entwickelten sich die kritischen Damen sehr gleichmäßig. Pavel meint, es hätten sich auch nicht mehrere Phänotypen herausgebildet, Aroma und Wuchseigenschaften aller neun Pflanzen seien im Prinzip gleich. Das ist heutzutage längst keine Selbstver-ständlichkeit mehr und zeugt von der Seriosität und Geduld eines Breeders.
In der dritten Woche verlangsamten die neun Damen das Längenwachstum bei einer durchschnittlichen Höhe von 80 Zentimetern deutlich; die Blütenbildung wurde intensiviert. Das war für Pavel das Zeichen, die Metall-Halogengegen eine Natriumdampflampe zu wechseln. Denn erst ab jetzt brauchten die Blüten das intensive NDL-Lichtspektrum, das für die Blütenbildung verantwortlich ist. In der dritten Woche erhöhte er den EC-Wert auf 2,0; der pH-Wert lag bei 5,8.
Ein wenig Getier in Woche vier
Woche vier fing dann mit einer unangenehmen Überraschung an. Die unteren Blätter wiesen Spuren von Spinnmilbenbefall auf, was Pavel auf die missglückten botanischen Feldversuche seiner Mitbewohner zurückzuführen wusste. Also raus mit den halb vertrockneten Tomaten und den vergilbten Küchenkräutern und ab in den nächsten Growshop, der zwar keine Samen, dafür aber noch Nützlinge verkauft. Die Behandlung mit Raubmilben sollte die schlimmsten Auswirkungen der Fraßfeinde bis zur Ernte in Schach halten. Ein paar Tage nach ihrer Ankunft schlugen die Nützlinge auch an und der Befall wurde nicht mehr schlimmer, die Blüten entwickelten sich weiterhin prächtig. Deshalb wagte es Pavel auch, Ende der fünften Woche den EC-Wert auf 2,5 zu erhöhen; der pH-Wert lag jetzt bei 5,6. Die Ladys vertrugen die starke Nährlösung gut und verfügten Anfang der sechsten Woche bereits über dicke Topbuds und schöne, nicht allzu große Seitentriebe. Pavel hatte in der zweiten Blütewoche die untersten 15 Zentimeter Blattgrün entfernt, damit die Pflanzen alle Kraft in die Ausbildung der Topblüte stecken konnten. Doch trotz der Beschneidung bildeten die Critical immer noch sehr starke Seitentriebe aus, die sich in der kleinen Box fast ein wenig zu nahe kamen. Sollte er die Sorte noch einmal anpflanzen, was den Ergebnissen zufolge sehr wahrscheinlich ist, will mein Gastgeber entweder nur sechs Pflanzen auf die 0,6 m2 stellen oder in der zweiten Woche den gesamten unteren Stängel kahl schneiden, sodass jede Pflanze nur noch einen Topbud und höchstens zwei Seitentriebe hat. Ich empfehle ihm die erste Variante, weil es immer weh tut, Pflanzen, die bereits in der Blüte stehen, so radikal zu beschneiden. Ich muss aber zugeben, dass ich schon Indoor-Gärtner gesehen habe, die mit dieser Methode immense Tops und saftige Ernten ergärtnert haben.
In Woche sechs fingen die Blüten dann an auszureifen und nur noch sehr langsam zu wachsen. Nun senkte Pavel den EC-Wert; in Woche sechs waren es nur noch 1,7 mS, in der siebten 1,5 mS und in der letzten der schlussendlich acht Wochen gab es nur noch klares Wasser mit ein wenig Huminsäure; der EC-Wert lag bei 0,3; der pH-Wert bei 5,5.
In den letzten Wochen wuchsen die oberen Blüten der Criticals dann zu einem festen, kompakten Bud zusammen und fingen an, aufgrund der vielen Blütenfäden einen orangen Teint zu entwickeln. Dieses sortentypische Zeichen nahm Pavel zum Anlass, Anfang der achten Woche mit dem Spülen des Mediums anzufangen, auch wenn manche Grower die Critica/ insgesamt nur sieben Wochen blühen lassen.
„Ich halte mich nur grob an die angegebenen Blütezeiten und entscheide selbst, wann ich ernte. Nach 49 Tagen wären meine Criticals auf keinen Fall fertig gewesen, ich habe mich nicht nur an den Härchen, sondern auch an der Färbung der Trichome orientiert. Die waren nach ziemlich genau 55 Tagen halb kristallin und halb milchig, also erntereif. Ich denke auch, dass die Angaben der Breeder eher eine grobe Orientierung sind, schließlich hängt die optimale Blütezeit ja auch von äußeren Einflüssen wie Luftfeuchtigkeit, Nährstoffen, der Temperatur und auch den individuellen Vorlieben des Growers ab.
Manche mögen es halt eher medium, die anderen ganz durch. Ich hatte schon Sorten, die sollten nach 55 Tagen fertig sein und haben in den letzten beiden auch kein Gewicht mehr zugelegt, dafür aber extrem an Aroma und Potenz gewonnen. Natürlich würde die ein Kommerz-Grower nach spätestens 60 Tagen ernten, aber ich eben nicht."
Die Ernte...
ist gerade erst vorüber, als ich Pavel meinen Besuch abstatte. Getrocknet hat er auf altbewährte Weise, indem er die Ladys einfach nach dem Trimmen kopfüber in seiner Box aufhängte — Licht aus, Lüftung an. Jetzt hängt das Weed seit zehn Tagen auf der Leine und sieht einfach zum Vernaschen aus. Das typische Critical-Aroma fängt gerade erst an, sich zu entwickeln. Morgen wird Pavel es in eine Tupperware packen und noch ein bis zwei Wochen
• stehenlassen. Bevor Pavel das Gras eindosen wird, wollen wir beide noch unbedingt wissen, wie viel es denn nun ist. Nach dem Entfernen von Stielen und Stängeln bleiben stolze 350 Gramm übrig, was zwar nicht ganz 1 Gramm/Watt ausmacht, angesichts der sehr kleinen Anbaufläche und der Enge der Box aber trotzdem ein außergewöhnlich gutes Ergebnis ist, wie ich finde. Pavel scheint auch zufrieden und wir verdampfen noch den ein oder anderen Kopf bester Prager Sorten, bevor ich mich vom ehemaligen Grow-Reporter des Konoptikum verabschiede.
Vom EuroCity aus, der mich zurück nach Berlin bringen wird, kann ich in Dëcín den Tao-Growshop sehen, dem 2013 erst das Elbe-Hochwasser und dann die Polizei die Geschäftsgrundlage bis auf Weiteres zerstörte. Doch ich bin mir ganz sicher, dass man angesichts der weltweiten Entwicklung den Siegeszug der Hanfpflanze weder durch Natur- noch durch Staatsgewalt aufhalten kann. Tschechiens Hanfge- meinde wird sich schnell wieder erholen und spätestens im Herbst mit der nächsten Outdoor-Ernte zurückschlagen. Denn outdoor macht unseren Nachbarn so schnell keiner was vor, wie ich als Judge zahlreicher tschechischer Outdoor-Cups aus eigener Erfahrung bestätigen kann.
*Name von der Redaktion geändert
**Grundregel: „Gutes" (salzarmes und weiches) Wasser (EC-Wert < 0,4; Härtegrad < 14): Pflanze kann viel Dünger verstoffwechseln.
„Schlechtes" Wasser (salzreiches und/oder Härtegrad > 17): Pflanze kann nicht so viel Dünger verstoffwechseln. Bei solchem Ausgangswasser sollte über die Anschaffung einer Osmoseanlage nachgedacht werden. Wasser, das von Anfang an Salze oder zu viel Kalk enthält (Härtegrad dH > 17) oder einen falschen pH-Wert hat, kann trotz ausreichender Menge an Nährstoffen ein Versorgungsproblem nach sich ziehen, weil die Zusammensetzung des (Leitungs-)Wassers oft alles andere als gut ist. Das kann durch die Zugabe des besten Düngers nicht kompensiert werden. Den Härtegrad des Leitungswassers erfährt man vom örtlichen Wasserversorger.
*** Als Drain wird die Nährlösung bezeichnet, die bei Verwendung von Kokos-substrat oder Steinwolle nach dem Gießen wieder aus dem Medium herausläuft. Das sollten ungefähr 20% der Gesamtmenge sein. Werden den Mädels also zehn Liter Nährlösung verabreicht, so sollten ungefähr zwei Liter wieder aus dem Medium herauslaufen, Gibt es hierfür keinen ausreichend großen Auffangbehälter, so sollte dieser Drain nach dem Gießen mit einem Lappen aufgenommen werden, da sonst Staunässe und somit Wurzelfäule droht.